One man one vote
Bürgersolar-Vorstand Stefan Lübben diskutiert über Genossenschaften
Genossenschaften sind eine zukunftsträchtige Organisationsform bürgerschaftlichen Engagements. Darin waren sich alle Teilnehmer einer Diskussionsveranstaltung am 7. Dezember in der Werkstatt 3 In Hamburg-Altona einig. Am runden Tisch saßen neben Bürgersolar-Vorstand Stefan Lübben der Geschäftsführer von STATTBAU/Schanze eG Tobias Behrens, Sören Fenner von WIESE, Initiative für ein theatrales Produktions- und Bildungszentrum und Ulrike Sitte von der Gängeviertel-Genossenschaft. Moderiert wurde die Runde von Karin Heuer von umdenken/Heinrich-Böll-Stiftung und Heike Breitenfeld von KEBAP e. V.
KEBAP steht für „Kultur Energie Bunker Altona Projekt“ und war Anlass für die Diskussion über Genossenschaften. Denn KEBAP ist bislang ein Verein, hat aber vor, das Projekt 2013 als Genossenschaft weiter zu führen.
Konkret geht es um einen Weltkriegs-Bunker in der Schomburgstraße in Altona, in dem künftig ein Biomasse-Kraftwerk Wärme erzeugen soll. Die Erlöse aus dem Wärmeverkauf sollen den Kulturteil des Projekts mitfinanzieren. Geplant sind unter anderem Räume für Musiker und Stadtteil-Initiativen, eine Filmwerkstatt und eine Kantine – auf dem Dachgarten sollen Kräuter und Gemüse fürs Essen selbst gezogen werden.
Stefan Lübben, Vorstandsmitglied der Bürger-Solarkraftwerke Rosengarten eG, verhehlte nicht, dass er die Idee „Energie subventioniert Kultur“ für ambitioniert hält. Lübben verwies auf die jüngste Reduzierung der Einspeisevergütung im „Erneuerbare Energien Gesetz“ (EEG), die es den Erzeugern zunehmend schwer mache, Anlagen wirtschaftlich zu betreiben. „Bei der Photovoltaik sei mehr als ein Prozent Rendite gegenwärtig kaum realistisch“, sagte Lübben.
Auch Rosengarten müsse sich etwas einfallen lassen, wenn die Genossenschaft weiter wachsen wolle. „Denkbar ist ein Einstieg in die Windkraft oder Modelle, die auf den Eigenverbrauch des erzeugten Stroms ausgerichtet sind“, sagte der Rosengarten-Vorstand. Ein konkretes Vorhaben der Bürger-Solarkraftwerke Rosengarten sei zurzeit eine Kooperation mit den „Zukunftsgenossen“ in Lüneburg, die in der Heidestadt Solaranlagen planten.
Die Genossenschaft als Organisationsmodell für Projekte aus Bürgerhand sieht auch Lübben positiv. Die Rosengartener Genossenschaft sei auf rund 150 Mitglieder gewachsen, nur einen Austritt habe es seit der Gründung im Jahr 2008 gegeben. „Allerdings ist das Engagement sehr ungleich verteilt, bei uns arbeiten etwa zehn Mitglieder aktiv mit“, sagte Lübben. Eine Hürde seien bei Genossenschaften auch die aufwändigen regelmäßigen Prüfungen durch den Genossenschaftsverband, die zudem viel Geld kosten.
Tobias Behrens von STATTBAU/Schanze eG – eine Dachgenossenschaft von Wohnprojekten – verwies darauf, dass die Reform des Genossenschaftsgesetzes 2006 die Gründung von Genossenschaften erleichtert habe. Das sei ein Grund dafür, dass das Betätigungsfeld breiter sei als früher und nun eben auch die Bereiche Energie und Kultur umfasse. „Wichtig ist jedenfalls, dass das Geschäftsmodell stimmt. Genossenschaften sind keine gemeinnützige Einrichtungen.“, sagte Behrens.
Die Mitwirkungsmöglichkeiten in Genossenschaften hängen nicht vom eingezahlten Geld ab. „One man, one vote“ – dieses demokratische Teilhabeprinzip der Genossenschaften passt besonders für Initiativen von Bürgern, die regional Energie selbst erzeugen wollen. Das Modell passt auch, wenn man Nahrung herstellen oder Kultur schaffen will. Das betonten nicht nur Behrens, sondern auch die Vertreter der Kulturprojekte „Gängeviertel“ und WIESE, einer Initiative von Theaterleuten, die in Hamburg-Barmbek künftig eine Fabrikhalle übernehmen wollen.
So konnten sich am Ende des Abends, an dem sich auch das Publikum rege beteiligte, die Leute von KEBAP durchaus ermuntert fühlen, die Genossenschaftsgründung anzugehen. 2012 war das „Jahr der Genossenschaften“, ausgerufen von den Vereinten Nationen. Viele haben das nicht bemerkt. „Genossenschaften neigen zum Understatement“ – auch darin war man sich in der Werkstatt 3 einig.